Obstbäume veredeln

Mein Weg zur Veredelung

Wie viele Kleingärtner:innen bzw. frische Gartenbesitzer:innen hatte ich die Herausforderung, dass sich im Garten Obstbäume befinden, die schon viele Jahre unter verschiedenen Händen geformt wurden. Zudem waren sie dem Stress eines wechselnden Klimas ausgesetzt. Diese Bäume werden leider viel zu oft, auf dem vermeintlich einfachen Weg, aus dem Garten entfernt und durch kleine Bäume aus dem Baumarkt oder Gartencenter ersetzt. Dabei gehen teil alte/regionale Sorten verloren.

In meinem Garten habe ich 2 Apfelbäume entnehmen müssen, da diese bereits so stark geschädigt waren, dass sie nur noch als Behausung für so manchen Käfer eine ökologische Funktion erfüllt haben. Für mich besonders schade ist, dass ich nie in den Genuss der Äpfel gekommen bin und somit nicht weiß, welche Sorten hier verloren gegangen sind.

Auch im Familienkreis haben wir ein paar alte Apfelbäume in den Gärten stehen. Damit diesen nicht das gleiche Schicksal blüht, habe ich im Winter 2021/2022 angefangen, Edelreiser zu schneiden und diese auf gesunde Unterlagen zu veredeln. So habe ich den Grundstein zum erhalt dieser teils über 70. Jahre alten Sorten gelegt. Aber wie geht das eigentlich und was braucht man dafür?


Obstsorte erhalten – Wann lohnt es sich?

Je nach Zustand, ist es leider nicht möglich, jeden Baum bzw. jede Sorte zu erhalten. Dies möchte ich gleich zu Anfang klarstellen, denn es bringt nichts, wenn im Garten ein Apfelbaum steht, der von einer Krankheit stark befallen ist und dann im ärgsten Fall alle anderen Bäume noch mit ansteckt. Gerade bei Pilzkrankheiten kann so ein gutgemeinter Versuch den restlichen Bestand unnötig gefährden.

Dies ist zum Glück nur selten der Fall. Meist sind die Bäume, durch zu langes Ausbleiben eines guten Schnitts und dann starke Eingriffe zur Korrektur, zu einer Art „Besen“ geworden. Viele dünne Ästchen recken sich aus starken Ästen in wirrer Form der Sonne entgegen. Ist der Stamm gesund und die Form des Baumes, also seine Größe und die Form der Äste, für den Garten noch passend, kann diese Art von Baum durch viele aufeinanderfolgende Schnitte in eine natürliche Form rückgeführt werden.

Ist die Herstellung einer natürlichen Krone nicht mehr möglich und der Baum nahe an seinem Lebensende, lohnt es sich, die vorhandene Sorte auf eine neue Unterlage zu veredeln. So wird der Grundstein gelegt, sie für den Garten und in einer dafür passenden Wuchsform zu erhalten.


Alte Sorten erhalten – Ein Beispiel anhand des Apfels

Nehmen wir an, in eurem Garten steht ein herrlicher alter Apfelbaum – oder auch ein paar mehr. Die Äpfel sind klein, im Fruchtfleisch gemustert und bereiten nicht nur Kindern große Freude beim Verzehr. Genau diese Sorte in einem spezialisierten Fachbetrieb erneut zu erhalten, ist im besten Fall möglich, aber mit viel Aufwand und Recherchearbeit verbunden. Einen Samen der leckeren Äpfel in die Erde zu stecken und so einen neuen Baum dieser Sorte zu erhalten, geht leider auch nicht. Denn die Blüte des Apfels wird von einem anderen Baum bestäubt. So enthält jeder Kern eine eigene Rezeptur für neue Sorten. Ob diese aber schmeckt, wissen wir erst nach 5-10 Jahren. Also gehen wir lieber an die Arbeit, solange der Baum noch lebt.

Eine einfache Methode zum Erhalt ist die Veredelung auf eine sogenannte Unterlage. Hierbei werden zunächst frische Triebe aus dem Vorjahr (Edelreiser) im Winter an einem frostfreien Tag geschnitten. Wichtig bei der Wahl der jungen Triebe ist, dass genau geschaut wird, dass der „Jahresring“, also die Markierung, ab der der Trieb im letzten Jahr gewachsen ist, korrekt bestimmt wird. Fahrt dazu am besten mit dem Finger vom Ende des Triebes Richtung Baum den Ast entlang. So findet sich der letzte/erste Ring zuverlässig. Zudem sollte der Trieb etwa so dick wie ein Bleistift sein. Die beiden Triebe auf dem Bild unten sind zwar kräftig gewachsen (ca. 2cm dick), aber für so einen kapitalen Ast, werden wir nur schwer passenden Wurzeln finden (die Unterlage) und die vielen kräftigen Knospen werden beim Anwachsen so viel Saft ziehen, dass der kleine Baum vermutlich vertrocknet. Hier ist etwas weniger durchaus mehr. Einzelne Knospen können zum Sommer genommen werden, aber das ist ein kniffligeres Handwerk, dem wir uns später im Jahr widmen werden.

Das Veredeln – Reiser und Wurzeln zusammenbringen

Hat man passende Edelreiser mit einer scharfen Schere genommen, sollten sie zeitnah in eine Zeitung eingeschlagen oder in einem Zipper-Beutel verstaut werden, damit sie nicht austrocknen. Das Legen in feuchten Sand ist auch möglich. Aus meiner Erfahrung kann ich für den Start empfehlen, dass die Zeit vom Schnitt bis hin zur Veredelung nicht zu lang sein sollte. Ein paar Wochen sind leicht möglich, aber für mehr als einen Monat ist die Lagerung zunehmend schwieriger und Reiser trocknen aus. Wer sich dem Thema näher möchte, kann also im Februar noch Reiser nehmen, die dann gegen Mitte März veredelt werden. Bei Steinobst muss man früher tätig werden, aber dazu in einem anderen Beitrag mehr.

Das eigentliche Veredeln, als das Zusammenbringen von Wurzel und Reiser ist dann eine schöne und meditative Arbeit – wenn man Material zum üben hat. Die Schnittführung ist das A und O und es sollte immer ein ausreichender Vorrat an Übungsmaterial vorhanden sein. So kann man sich erstmal erproben und hat nicht gleich den Stress, dass der Reiser der gewünschten Sorte immer kleiner und kleiner wird. Eine gute Anleitung findet ihr hier beim MDR: MDR Garten – Obstbaum veredeln – Kurzanleitung

In diesem Jahr habe ich vor allem alte Sorten auf eine Unterlage M106 verdelt. Diese wachsen zu Bäumen von ca. 3-4m Höhe heran und passen so gut in den Garten. Hierzu habe ich, anders als im letzten Jahr, gleich 2 Reiser auf jede Unterlage verdelt. Oben habe ich mit der sogenannten Geißfußverdelung einen V-förmigen Schnitt gesetzt, in die dann ein Reiser senkrecht eingesetzt wurde. Diese Methode ist im Gegensatz zum Kopulieren, bei dem Unterlage und Reise schräg angeschnitten werden, aber kniffliger und erfordert mehr Übung. Daher habe ich einen zweiten Reise seitlich eingespitzt. Hierbei wird ein flacher Schnitt in der Rinde vorgenommen und dann ein Reiser eingesetzt. Ob und wie gut dies alles geklappt hat, teile ich im Mai mit euch. Dann sollten alle erfolgreich verdelten Bäumchen die ersten Blätter haben und wir können uns der Pflege widmen.


Pflege der Jungbäumchen

War die Veredelung ein Erfolg, beginnen die Knospen am Edelreiser etwa im März schwellen und öffnen sich. Nun ist es wichtig, dass wir den entstehenden Wuchs gut im Blick behalten. Denn je nach dem, wo wir den Reiser genommen haben, können die Knöspen durchaus Blütenknospen sein. Würden wir diese am Bäumchen belassen, hätte das zur Folge, dass die ganze Energie in diese Blüten fließt und unser Baum deutlich schwächer wachsen kann. Im schlechtesten Fall, bedeutet dies bereits das Ende des kurzen Lebenszyklus unserer Bäumchens.

Die Blüten sind zum Glück leicht zu erkennen und können mit einer scharfen und sauberen Schere leicht entfernt werden (siehe Bilder). Achtet darauf, dass ihr nicht versehentlich die zarten Blättchen beschädigt oder abschneidet. Ich warte immer ein paar Tage, bis die Blütenstiele etwas länger geworden sind. So lassen sie sich leicht entfernen und euer Baum kann nun beginnen, Energie zu sammeln. Zuletzt sollten wir noch darauf achten, dass unterhalb der Veredelung keine neuen Äste entstehen. Diese hätten nicht die Eigenschaften der von uns gewünschten Sorte und können zur Konkurrenz des Edelreisers werden. Jeglicher Wuchs kann daher einfach mit dem Finger entfernt werden. Ab hier heißt es nun: Warten und sich am Wachstum erfreuen!